Du magst es kurz?
Weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren, weniger fliegen und zu einem Ökostromanbieter wechseln – es gibt große Hebel, mit denen du deinen CO2-Fußabdruck reduzieren kannst.
Und dann?
Der nächste sinnvolle Schritt, um mehr gegen die Klimakrise zu tun, ist es nicht, dir eine Holzzahnbürste anzuschaffen. Sondern deinen Klima-Handabdruck zu vergrößern. Das kannst du tun, indem du möglichst viele andere Menschen motivierst oder ihnen überhaupt erst ermöglichst, ihren eigenen Fußabdruck ebenfalls zu reduzieren. Indem du also nicht nur weniger Schlechtes, sondern mehr Gutes tust. Nur so können wir – schnell genug – das System verändern.
Darum geht‘s
- Das System ist das Problem
- Der persönliche Fußabdruck als Beschäftigungstherapie
- Der CO2-Fußabdruck als Marketing-Geniestreich
- Woher kommt der Klima-Handabdruck
- Der Klima-Handabdruck einfach erklärt
- Wie kann dein Handabdruck den Fußabdruck ergänzen?
- Deine wichtigsten Handabdruck-Maßnahmen
- Wo findest du weitere Inspirationen und Ideen für deinen Handabdruck?
Sicher hast du im Zusammenhang mit der Klimakrise schon häufig vom CO2-Fußabdruck gehört. Vielleicht hast du auch schon deinen eigenen Fußabdruck berechnet. Und, liegt der auch deutlich höher als die max. 1 Tonne CO2 pro Jahr, die wir pro Person ausstoßen dürften? Meiner ebenfalls. Dabei müsste unser Fußabdruck so gering sein, damit wir unsere Erde nicht verheizen und im Rahmen dessen bleiben, was unser Planet verträgt (also die „planetaren Grenzen“ nicht überschreiten).
(Wenn du das noch nicht getan hast, rechne ihn ruhig mal aus. Das geht zum Beispiel über den Fußabdruck-Rechner des Umweltbundesamtes. Aber komm auf jeden Fall wieder hierhin zurück, denn das Ergebnis allein bringt dich nicht weiter.)
Wie hast du darauf reagiert?
Vermutlich hast du dir überlegt, wie du deinen CO2-Fußabdruck weiter reduzieren kannst. Das ist ja auch erstmal ein sinnvoller Ansatz, denn schließlich hast du auf dein eigenes Verhalten den direktesten Einfluss.
Und es gibt durchaus große Hebel, die du bei dir selbst bewegen kannst:
- Du kannst dich möglichst pflanzenbasiert ernähren.
- Du kannst möglichst häufig auf Auto und Flieger verzichten.
- Du kannst einen Ökostromanbieter wählen. (Und je nach deinen Möglichkeiten außerdem dein Haus energetisch sanieren und ein Balkonkraftwerk, eine Photovoltaik-Anlage und/oder eine Wärmepumpe anschaffen.)
Das Problem ist allerdings: Auch wenn du all das umsetzt, landest du noch lange nicht unter 1 Tonne CO2-Ausstoß pro Jahr.
Warum ist das so?
Das System ist das Problem
Das System, in dem wir leben, basiert auf fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas. Klimaschädliche Standards sorgen dafür, dass die klimafreundliche Alternative meist schwieriger umzusetzen, komplizierter und vor allem teurer ist.
Ein paar Beispiele:
- Mit der Bahn von München nach Hamburg zu fahren, ist meist teurer als zu fliegen.
- Busse und Bahnen sind insgesamt teuer und oft unzuverlässig.
- Geld wird zu viel in Straßen und zu wenig in Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrerinnen oder einen verlässlichen und bezahlbaren Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gesteckt.
- In Supermärkten sind Fleisch und Milchprodukte günstiger als pflanzliche Alternativen.
- Auf Hafermilch zahlen wir mehr Mehrwertsteuer als auf Kuhmilch.
- In Restaurants und Kantinen gibt es immer noch mehr fleischhaltige Gerichte als vegetarische, von rein pflanzlichen ganz zu schweigen.
- Selbst die oft als klimafreundlich bezeichnete Fernwärme stammt derzeit noch zu etwa 70 Prozent aus fossilen Energieträgern.
- Alleine unsere öffentliche Infrastruktur (von der Müllabfuhr bis zur Straßenbeleuchtung) ist verantwortlich für 1,2 t CO2-Ausstoß pro Kopf und Jahr (siehe Grafik oben).
All das führt dazu: Wer am Alltag in unserer Gesellschaft teilnimmt, kann seinen CO2-Fußabdruck unmöglich auf ein klimaverträgliches Niveau bringen.
Das heißt: Wenn wir klimaverträglich leben wollen, müssen wir das System verändern, in dem wir leben. Wir müssen neue Standards setzen.
Wieso ist das System überhaupt so schwerfällig?
Wenn man sich anschaut, was in den letzten Jahren an politischen Entscheidungen getroffen wurde, hat man geradezu das Gefühl, als wehre sich das System gegen die Veränderungen.
Und dieses Gefühl trügt nicht.
Dabei geht der Widerstand gegen Veränderungen diesmal über die übliche Trägheit von Systemen hinaus. Es gibt Menschen und Konzerne, die mit viel Aufwand und vor allem viel Geld daran arbeiten, Veränderungen im System zu verhindern. Warum sie das tun? Ganz einfach: Weil sie mit dem aktuellen Status viel Geld verdienen.
„Die Öl- und Gasbranche hat seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar pro Tag Gewinn — nicht Umsatz! — gemacht. Jeden Tag, sieben Tage die Woche, seit über 50 Jahren.“ (Christian Stöcker, Männer, die die Welt verbrennen, Ullstein Buchverlage Berlin 2024, S. 12)
Um weiter mehrere Milliarden am Tag in ihre Kassen fließen zu lassen, haben Vertreter der Fossil-Lobby (also von Konzernen, die mit der Förderung und Verarbeitung von Erdöl, Erdgas und Kohle ihr Geld verdienen) mit regelrecht krimineller Energie seit Jahrzehnten wissenschaftliche Erkenntnisse kleingeredet, Politik und Medien beeinflusst und die Öffentlichkeit belogen.
Der persönliche Fußabdruck als Beschäftigungstherapie
Zu wissen, welche Negativ-Auswirkungen das eigene Verhalten hat, und diese nach Möglichkeit zu verringern, ist natürlich absolut sinnvoll. Ohne dass wir alle unseren Fußabdruck reduzieren, wird es nicht gehen. Und insbesondere wenn Firmen den ökologischen Fußabdruck ihrer Tätigkeiten berechnen, kann das dabei helfen, Prozesse und Produkte klimafreundlicher zu gestalten.
Wenn wir nur auf unseren persönlichen Fußabdruck schauen, bekommen wir allerdings auch schnell Probleme. Denn oben haben wir ja schon gesehen, dass wir innerhalb unseres Systems eine bestimmte Grenze kaum unterschreiten können.
Und was macht das mit uns? Wenn wir ständig nach weiteren Möglichkeiten suchen, unseren persönlichen CO2-Ausstoß noch weiter zu reduzieren? Und dabei kaum noch spürbaren Erfolg haben?
- Wir bekommen ein immer schlechteres Gewissen.
- Wir binden unsere Zeit und Energie.
Sich tagein, tagaus mit dem eigenen Fußabdruck zu beschäftigen, kostet Kraft. Und die könnten wir an anderer Stelle deutlich effizienter einsetzen. Zum Beispiel, indem wir das System und die, die davon profitieren, hinterfragen und verändern.
Wir müssen alle klimafreundlicher leben. Aber bitte nicht dadurch, dass wir jeden einzelnen Schritt, den wir tun, auf die Klima-Goldwaage legen.
Konzerne, die mit Öl, Gas und Kohle ihr Geld verdienen, möchten das einträgliche System natürlich nicht ändern. Also haben sie sich den oben beschriebenen Effekt zunutze gemacht. Und zwar ganz bewusst. Deshalb sind Mineralölkonzerne maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Konzept des CO2-Fußabdrucks heute allgegenwärtig ist.
Erfunden haben den Begriff des (ökologischen) Fußabdrucks die Nachhaltigkeitsforscher Mathis Wackernagel und Wiliam Rees im Jahr 1995. Besonders viel Reichweite bekamen sie damit aber nicht. Bekannt wurde der Begriff erst Anfang der 2000er Jahre. Und zwar durch BP. Früher bekannt als British Petroleum. Ja, richtig gelesen.
Der CO2-Fußabdruck als Marketing-Geniestreich
Der Ölkonzern machte den CO2-Fußabdruck zum Mittelpunkt einer Marketingkampagne. Und die gehört wohl zu den — leider — smartesten Kampagnen der PR-Geschichte. Die Erdöl-Branche wusste bereits seit den 1970er Jahren genau, dass das Verbrennen fossiler Energieträger das Weltklima verändert. Darauf entsprechend zu reagieren, hätte aber ihr Geschäftsmodell ruiniert. Also baute BP 2004 einen „Carbon Footprint Calculator“, einen CO2-Fußabdruck-Rechner, mit dem Einzelpersonen ausrechnen konnten, für wie viel CO2-Ausstoß sie persönlich verantwortlich sind.
Genial, oder? Die Frage nach dem individuellen Fußabdruck lenkte von ihrer eigenen Verantwortung ab und sagte: Verantwortlich sind nicht die Konzerne, die mit fossilen Energieträgern ihr Geld verdienen, sondern die Verbraucher*innen. Sollen sie doch aufhören, Auto zu fahren, zu fliegen und zu heizen. Solange sie das nicht tun — tja, da müssen wir wohl weiter Erdöl, Erdgas und Kohle aus dem Boden holen.
Perfide. Aber wirksam. Leider.
Denn mit einem hatten sie natürlich Recht: Wenn wir nicht alle aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, rutschen wir immer tiefer in die Klimakrise hinein. Allerdings brauchen wir dafür auch Alternativen. Beispielsweise Schnellzüge, zuverlässigen ÖPNV, E-Autos, Wärmepumpen und Solarenergie. Die gibt es inzwischen ja auch. Sie müssen nur noch viel verbreiteter werden.
Ok, halten wir fest:
Ohne eine Reduzierung unseres eigenen CO2-Fußabdrucks geht es nicht. Das alleine reicht jedoch nicht und bringt zudem einige Fallen mit sich. Was nun?
Nun kommt der Handabdruck ins Spiel. Denn effizienter, erfolgreicher Klimaschutz braucht Hand und Fuß.
Woher kommt der Klima-Handabdruck?
Den Impuls für die Entwicklung des Klima-Handabdrucks setzte die 10-jährige Srija aus dem indischen Hyderabad. Während eines Projekts des Centre for Environment Education (CEE) sagte sie, sie wolle nicht nur weniger Schlechtes, sondern auch mehr Gutes tun.
Einleuchtend, oder? Und die ebenso simple wie geniale Erklärung des Klima-Handabdrucks. Diese Grundidee hat das CEE in der Folge weiter ausgebaut, präzisiert und vor allem mit Handlungsempfehlungen unterfüttert. Und sie bildet auch die Basis für alles, was wir hier auf My Friday tun.
Der Klima-Handabdruck einfach erklärt
Wenn du dich klimafreundlich verhältst, reduzierst du deinen CO2-Fußabdruck (du tust weniger Schlechtes). Wenn du andere Menschen motivierst oder in die Lage versetzt, sich ebenfalls klimafreundlich zu verhalten, erhöhst du deinen ökologischen Handabdruck (du tust Gutes). Je mehr Menschen deine Maßnahmen erreichen, und je nachhaltiger sich das System dadurch verändert, umso größer der Handabdruck.
Der durch dein Handeln reduzierte Fußabdruck anderer Menschen ist also dein Handabdruck.
Wie kann dein Handabdruck den Fußabdruck ergänzen?
Oben schrieb ich schon: Klimaschutz braucht Hand und Fuß. Denn natürlich soll der Handabdruck den Fußabdruck nicht ersetzen. Den Einfluss der eigenen Big Points (Ernährung, Mobilität und Energie & Wohnen) so weit wie möglich zu reduzieren, sollte immer der erste Schritt sein.
Das Handabdruck-Konzept ist aber die mindestens ebenso wichtige Erweiterung des Fußabdrucks.
Es gibt uns weitere Handlungsmöglichkeiten, mit denen wir Gutes anstoßen können, während wir parallel daran arbeiten, weniger Schlechtes zu tun.
Es lenkt unsere Energie in positive Bahnen, wenn uns der Frust packt, weil wir unseren Fußabdruck trotz aller Bemühungen nicht weit genug reduziert bekommen.
Und es zeigt uns auf, wie wir das System verändern können.
Unser Einsatz gegen die Klimakrise braucht Hand und Fuß: Also eine Reduzierung des eigenen CO2-Fußabdrucks und Handabdruck-Maßnahmen, die viele andere Menschen mitnehmen.
Wenn wenn wir Standards verändern wollen, brauchen wir eine kritische Masse an Menschen, die mit uns in die gleiche Richtung ziehen. Die mit uns gemeinsam die Veränderungen anschieben, die wir brauchen, um soziale Kipppunkte zu erreichen. Das können wir nur gemeinsam. Und deshalb müssen wir so viele Menschen mitnehmen wie möglich.
Was sind soziale Kipppunkte?
Soziale Kipppunkte erreichen wir, wenn eine ausreichende („kritische“) Masse an Menschen mitmacht. Der Fall der Mauer war das Ergebnis eines sozialen Kipppunktes. Und der Siegeszug des Smartphones auch. Wenn ausreichend Menschen in die richtige Richtung ziehen, kippt das System. So können wir Standards verändern — und klimafreundliches Leben zum Normalzustand machen. Und das schnell.
Deine wichtigsten Handabdruck-Maßnahmen
Was genau kannst du also tun, um deinen Klima-Handabdruck zu vergrößern?
Jede Menge.
- Erzähl, was du schon tust, um deinen CO2-Fußabdruck zu verringern. Am besten so, als wäre es das Normalste der Welt.
- Rede immer und überall mehr über Lösungen. Denn es gibt so viele davon.
- Tu dich mit anderen zusammen und denkt gemeinsam über Lösungen nach. Wenn du Inspiration und Ideen dafür brauchst, schau dich mal bei den Change Clubs um.
- Unterstütze Lösungen und Initiativen von anderen — durch Geld, Mitarbeit oder Reichweite.
- Unterzeichne Petitionen zum Klimaschutz teile sie, sammle Unterschriften — oder stoße selber Petitionen an.
- Schlag in deinen Einflussbereichen klimafreundliche Maßnahmen vorschlagen bzw. mach sie zum Standard.
- Misch dich aktiv in die Diskussion ein – in den Medien oder mit Politiker*innen. Das geht zum Beispiel, indem du Leserbriefe schreibst, Redaktionen zur Rede stellst oder Termine in den Bürgersprechstunden deiner Abgeordneten machst.
- Vermittle Wissen zu klimafreundlichen Alternativen (du kannst z.B. zu Solar-Cafés einladen, gemeinsam vegan kochen oder Nähkurse anbieten).
- Und und und…
Wie findest du weitere Inspirationen und Ideen für deinen Handabdruck?
Um dich in das Thema Handabdruck hineinzudenken und für dich persönlich herauszufinden, mit welchen Handabdruck-Maßnahmen du die größten Hebel bewegen kannst, gibt es zahlreiche Tools, Informationen und Bücher.
Der Handabdrucktest auf handabdruck.eu
In Deutschland hat sich GermanZero sehr ausführlich mit dem Thema Handabdruck beschäftigt. Zusammen mit Brot für die Welt haben sie einen Handabdrucktest entwickelt, der dir helfen kann, eine auf dich zugeschnittene Handabdruck-Idee zu finden.
„Hoch die Hände, Klimawende!“
Wenn du dich am liebsten in Buchform inspirieren lässt, können wir dir „Hoch die Hände, Klimawende!“ empfehlen. Darin erklärt Gabriel Baunach sehr anschaulich, warum unser Klima-Handabdruck so wichtig ist und gibt Beispiele für erfolgreiche Handabdruck-Maßnahmen.
Climate Action Workbook von Climate Connections
Deine wichtigsten Hebel für Veränderung kannst du mit dem Climate Action Workbook identifizieren, das Alessa Fetzer, Julia Diehl und Sara Schurmann für das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes ein entwickelt haben. Das Besondere daran: Das Konzept dockt an das an, was du sowieso schon tust. Ganz große Empfehlung!
Impulse, Ideen und Klimaschritte hier bei My Friday
In unserem Artikel „Was kann ich gegen die Klimakrise tun?“ findest du 7 Maßnahmen, mit denen du wirklich etwas verändern kannst — fünf davon sind Handabdruck-Maßnahmen. Noch konkretere Maßnahmen schlagen wir dir in einzelnen Klimaschritten vor, die sich vom Fußabdruck zum Handabdruck immer weiter steigern. Am besten abonnierst du unseren Newsletter, damit du keinen neuen Artikel verpasst, während wir unsere Inhalte immer weiter ausbauen.
Los geht’s!
Headerbild: istockphoto.com
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