Stau in der Stadt

Wie viele Straßen brauchen wir eigentlich?

Darum geht‘s

Wir starten in Bonn. Aber eigentlich geht es um Straßen in ganz Deutschland.

An einem Montag Ende Oktober hatte ich im Alten Plenarsaal in Bonn — also im ehemaligen Bundestag, der heute Teil des World Conference Center Bonn (WCCB) ist — ein Mikro in der Hand und habe Fragen an die Autobahn GmbH gestellt. Ein sehr merkwürdiges Gefühl. Nicht nur wegen der historischen Kulisse. Sondern vor allem, weil von Minute zu Minute die Erkenntnis wuchs, dass ich doch eigentlich genau da bin, wo Entscheidungen getroffen werden. Und dass ich trotzdem hier und jetzt überhaupt nichts verändern kann.

Eine doppelt so breite Stadtautobahn? Wirklich?

Warum ich meine Woche ausgerechnet dort begonnen habe? Weil die A565, die sich als Stadtautobahn einmal quer durch Bonn schlängelt, ausgebaut werden soll. Die Autobahn soll doppelt so breit werden. Und das in Zeiten, in denen wir mit vereinten Kräften an einer Verkehrswende arbeiten sollten, um auch nur den Hauch einer Chance auf ein Einhalten der vereinbarten Klimaziele zu haben.

Im Rahmen des „Planfeststellungsverfahrens“ durfte man als Betroffene*r gegen diese Planung Einwendungen erheben. Dank des unermüdlichen Einsatzes vor allem von Raimund Gerber (danke!) in der Bürgerinitiative „Moratorium A565“ wusste ich nicht nur davon, sondern war auch informiert genug, um im Dezember 2023 eine solche Einwendung zu schreiben und an die Bezirksregierung Köln zu schicken. Zusammen mit 450 weiteren Bürger*innen, Verbänden und Institutionen, darunter auch die Stadt Bonn (die abstruserweise hier kaum mitzureden hat, weil Autobahnen eben Bundessache sind).

Deshalb lag nun eine Einladung zu einem „Erörterungstermin“ in meinem Briefkasten, zusammen mit den Antworten der Autobahn GmbH auf meine Einwendungen.

Ich gestehe, mein erster Gedanke war: Auf keinen Fall gehe ich dahin! Was soll ich da? Und wie soll das gehen? Einen Montag von 9 bis 19 Uhr in einem Erörterungstermin verbringen? Da muss ich doch arbeiten!

Gemeinsam ist man weniger allein

Zum Glück war ich mit diesen Gedanken nicht alleine. In der Bonner „Parents for Future“-Gruppe gab es noch viele andere, die die Einladung erhalten hatten. Und auch einzelne, die nicht nur hingehen, sondern sogar eine Kundgebung vor dem WCCB organisieren wollten. Zu mehreren erörtert es sich doch gleich viel einfacher. Und wozu hatte ich denn die Einwendung geschrieben, um jetzt einfach aufzugeben?

Also habe ich mir einen Tag Urlaub genommen und stand Montagmorgen mit Einladung und Ausweis und einem ganzen Stapel Fragen im Gepäck vor dem WCCB. 

Spannend und frustrierend zugleich

Was dann folgte, war deutlich spannender und gleichzeitig deutlich frustrierender als ich es mir vorgestellt hatte.

Jede Menge engagierte und häufig auch extrem gut informierte Bürger*innen stellten Fragen an die Autobahn GmbH und erläuterten ihre Einwendungen gegen die Planung. Und Gründe gegen die Planung gibt es viele.

Was ist für die A565 überhaupt geplant?

Laut Bundesverkehrswegeplan soll die gesamte durch die Stadt Bonn verlaufende Autobahnstrecke von 4 auf 6 Streifen ausgebaut werden. Dazu sollen zwei Standstreifen kommen (die es aktuell nicht gibt). De facto soll die Autobahn also doppelt so breit werden. Im aktuellen Verfahren geht es um den Abschnitt von Bonn-Endenich bis Bonn-Nord, der ca. 2 Kilometer lang ist. Der Ausbau dieser 2 Kilometer soll – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 300 Millionen Euro kosten und ca. 9 Jahre dauern.

Und das steht beispielhaft für viele viele Ausbaupläne von Autobahnen, Schnellstraßen etc. in ganz Deutschland, die vor Jahren, teils Jahrzehnten geplant wurden und jetzt umgesetzt werden sollen – obwohl wir Mobilität inzwischen ganz anders denken (sollten).

Und warum braucht die Autobahn eigentlich mehr Streifen?

Bei der Begründung der Autobahn GmbH hatte man das Gefühl, dass sich hier alles im Kreis dreht. Die Prognosen rechnen für die Zeit nach dem Ausbau mit mehr Verkehr. Ach. Tatsächlich? Ja, wenn man mehr Straßen baut, fahren mehr Menschen mit dem Auto. Das ist tatsächlich mit Studien belegt und sogar die nicht gerade des Klimaaktivismus verdächtige Wirtschaftswoche hat daran keine Zweifel. Aber wie kann das ein Grund sein, mehr Straßen zu bauen? Denn wir brauchen ja dringend WENIGER Autos.

Angeblich, so wird ergänzt, hat die Bonner Stadtautobahn schon jetzt nicht ausreichend Kapazitäten. Und ja, hier steht man häufig im Stau. Aber wir wissen aus vielen anderen Städten, dass niemandem geholfen ist, wenn man einfach nur eine Spur mehr baut.

Urbanists: One more lane will fix it

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Nur eine Spur noch, dann hören die Staus auf. Klar doch. | Klick auf das Vorschaubild öffnet das Video bei YouTube.

Mal abgesehen davon, dass das Ziel weniger „MIV“ sein sollte (im Termin stelle ich einen neuen persönlichen Rekord im Lernen neuer Abkürzungen auf: MIV steht für den „motorisierten Individualverkehr“ – also Autofahrten): Kapazitäten lassen sich auch durch andere Methoden erhöhen. Zum Beispiel durch eine Begrenzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Denn auch darin sind sich Verkehrsexpert*innen, die Wirtschaftswoche und sogar der ADAC einig: Die höchsten Kapazitäten hat eine Autobahn bei 80 km/h. Sagen alle. Außer dem Verkehrsgutachter der Autobahn GmbH.

Nun gut. Es gibt an diesem Projekt jede Menge in Frage zu stellen.

Die Kosten. Die Dauer. Die Breite der Fahrspuren. Die Verschlechterung der Luftqualität. Die Lärmbelastung. Immer stärkere Versiegelung.

Warum Ausbau statt Sanierung?

Die Hauptfrage, die sich mir während der Erörterung stellte, war aber: Wenn die Sanierung des Autobahnabschnitts so dringend ist (man war kurz davor, Einsturzszenarien an die Wand  zu malen): Warum wird die dann nicht priorisiert? Warum beharren alle Beteiligten auf dem 6-spurigen Ausbau? Warum wurden Kosten und Dauer einer reinen Sanierung gar nicht erst berechnet?

Die mantraartig wiederholte Antwort lautete: Der Bundesverkehrswegeplan.

Im Bundesverkehrswegeplan steht, dass dieses Teilstück (im übrigen auch noch auf ein paar Kilometern mehr, aber um die ging es im Termin nicht) auf sechs Spuren ausgebaut werden soll.

Also wird das gemacht. Ohne Diskussion.

Den Bundesverkehrswegeplan neu bewerten

Das Beispiel der A565 ist nur eines von vielen, die zeigen: Der Bundesverkehrswegeplan schreit laut nach einem kritischen Auge. Die „verkehrspolitischen Weichen“, von denen darin gesprochen wird, müssen dringend in Richtung einer Verkehrswende gestellt werden. Und vor allem müssen Klimaschutz und Naturschutz eine deutlich größere Bedeutung bei der Planung unseres Straßennetzes bekommen. 

Genau das soll eine Petition der Parents for Future zusammen mit dem NABU e.V. erreichen. Die Bundestagspetition fordert eine Neubewertung des Bundesverkehrswegeplans und eine Anpassung an nationale und internationale Naturschutz- und Klimaziele. Und um das zu erreichen, braucht es dich.

3 Dinge, die du jetzt tun kannst

Dieses und andere Sharepics findest du unter “Materialien zum Herunterladen” auf der Website der Parents for Future.
  1. Unterzeichne die Petition. Du findest sie direkt auf der Website des Petitionsausschusses des Bundestags oder über Parents for Future.
  2. Mach Werbung für die Petition. Like, kommentiere und teile die Posts dazu in den Sozialen Medien. Schreibe selber welche. Stell ein Sharepic in deinen Messenger-Status.
  3. Sammle Unterschriften! Die Petition gibt es online – du kannst aber auch ganz altmodisch auf Papier Unterschriften sammeln. Druck dir einfach eine oder mehrere Unterschriftenlisten aus und nimm sie mit in die Uni, zum Fußballtraining, zur Geburtstagparty oder Weihnachtsfeier, klingel bei deinen Nachbar*innen, leg sie bei der Chorprobe aus oder stell dich damit vor den örtlichen Supermarkt. Dann schickst du die gesammelten Unterschriften bis zum 2. Dezember 2024 an den NABU e.V. (Die Adresse findest du auf der Liste.)

Übrigens: Auch Kinder und Jugendliche dürfen Petitionen unterschreiben! Jede*r, der/die in der Lage ist, sich eine Meinung zum Thema zu bilden, darf auch unterzeichnen.

Los geht’s!

Headerbild: Stefan Schweihofer via Pixabay

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Katja
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